Mit seinen 3.798 m ist der Großglockner nicht nur der höchste Berg Österreichs, sondern er zählt auch zu den höchsten Gipfeln der Alpen.
Seit jeher wurde die Bergwelt von den Menschen als gefährlich erlebt. Schwierige Witterungsbedingungen und das Fehlen von befestigten Wegen machten eine Überquerung schier undenkbar. Dennoch belegen uralte Spuren den Wagemut der Menschen. Funde wie vorkeltische Bronzemesser, keltischer Goldschmuck, eine römische Herkules-Statuette, mittelalterliches Zaumzeug und Ketten von Galeerensträflingen aus dem 17. Jahrhundert belegen die Überquerung des Hochkars seit fast vier Jahrtausenden. Das Hochtor war bis zur Hochblüte des Handels im 17. Jhdt. nach dem Brenner und dem Radstädter Tauern der drittwichtigste Handelsweg mit knapp zehn Prozent des Handelsvolumens der Ostalpen.
Doch von der Bergwelt ging nicht nur Gefahr, sondern auch Faszination aus. Die Erstbesteigung des Mont Blanc errregte ungeheures Aufsehen und rief auch hierzulande mutige Männer auf den Plan. Doch erst die zweite Glocknerexpedition im Jahr 1800 führte zum Erfolg. Sieg und Niederlage begleiteten aber auch andere Expeditionen. Die Pallavicinirinne ist nach Markgraf Alfred Pallavicini benannt, der 1886 am Glockner den Tod fand.
Mit dem Bau der Großglockner Hochalpenstrasse hat der majestätische Gipfel eine neue Dimension erhalten. Als beliebtes Ausflugsziel ist für viele Menschen der Inbegriff eines beeindruckenden Naturerlebnisses: Hier werden Größe und Macht spürbar, hier erliegt man der Faszination des ewigen Eises und der Urgewalt der Natur.
Erstbesteigung Großglockner
Funde belegen, dass Menschen schon vor 5.000 Jahren gelegentlich Alpenpässe überquerten. Doch bis in das 17. Jhdt. wagte sich außer Jägern, Wilddieben und Abenteurern auf der Suche nach Gold oder edlen Mineralien kaum jemand in das Gebirge. Erst zu Beginn der Aufklärung überwand naturwissenschaftliche Neugier die allgemeine Angst vor dem Berg und wagemutige Forscher machten sich auf den Weg in eine unbekannte neue Welt – ohne Landkarten, markierte Steige, Routenbeschreibungen, Schutzhütten, taugliche Ausrüstung und kompetente Bergführer. 1786 erregte die Erstbesteigung des Mont Blanc ungeheures Aufsehen. Dieses Ereignis bewog den aufgeklärten Kärntner Fürstbischof Franz Xaver Graf von Salm-Reifferscheid / 1749 – 1822), die Erstbesteigung des Großglockner zu organisieren. Nicht nur sollte der mit 3.798 m höchste Gipfel Österreichs bezwungen werden, es ging ebenso um wissenschaftliche Erkenntnisse. Salm bildete also eine „Gesellschaft so zahlreich und ausgesucht, dass jede Abteilung der Naturgeschichte und Physik ihren Mann dabei findet“.
Im Frühjahr 1799 befahl Salm, dass „einige Gebirgbewohner“ den anscheinend leichtesten Anstieg auf den Großglockner durch das Leitertal erkunden und „etwa auf der Hälfte des Weges eine Hütte bauen“ (heute steht nahe diesem Standort die Salmhütte). Im August 1799 brachen dann 30 Personen mit 13 Reit- und Packpferden im abgelegenen Heiligenblut auf, das ein Arzt drei Jahre später so beschrieb: „Eine gotische Kirche, zwei gemauerte Häuser, acht bis zwölf hölzerne Hütten und 15 Kirschbäume.“
Die erste Expedition scheiterte an schweren Schneefällen. Sechs Mann erklommen gerade noch den Kleinglockner (3.783 m). Trotz starken Beifalls der Wissenschaft genügte Salm diese Leistung nicht. Er schickte sich an, im nächsten Jahr „alles aufzubiegen, um die Reise auf den Glockner und die gänzliche Ersteigung desselben zu erleichtern“.
Am 26. Juli 1800 machte sich die zweite Expedition in Heiligenblut auf den Weg: 62 Personen, darunter 12 „Honoratioren“ (Salm und seine Wissenschafter) als „reitende Partie“ , und 16 Pferde. Dank günstigem Wetter erreichten fast alle „Honoratioren“ binnen zwei Tagen die Adlersruhe (3.434 m) und fünf Mann bezwangen tatsächlich den Großglockner und setzten dort ein Gipfelkreuz.
Der Expeditions-Chronist beschrieb sichtlich beeindruckt, wie Salm diesen Sieg vor der Holzhütte im Leitertal feierte: „ Der Fürst beehrte die Glocknerbesteiger mit einem guten Mahle. Man glaubte bei dem Vorrate an Viktualien, unter welchen Pfirsiche, Feigen, Melonen und Ananasfrüchte waren, mehr bei einer fürstlichen Tafel in der Hauptstadt als in einer Alpenhütte zu sein. Es quollen Champagner, Tokayer und Malage, als keltere man sie vom nahen Gletscher.“
Besonderen Anlass zum Feiern gab der wissenschaftliche Ertrag. Neben der geografischen Länge und Breite des Gipfels wurde auch seine Höhe barometrisch und trigonometrisch mit 3.761 m ermittelt – zwar um 37 m zu wenig, doch ungleich genauer als 1799 mit 4.216 m. Das Problem: Wohl konnte man damals den Höhenunterschied zwischen Heiligenblut und dem Gipfel exakt messen, nicht aber die Höhe von Heiligenblut über der weit entfernten Adria. Neue Erkenntnisse brachten u.a. Reihenversuche mit Schneeschmelzen, Siedepunkten des Wassers, Luftfeuchte sowie Puls- und Atemfrequenzen. Und neben dem Gipfelkreuz wurde ein Barometer aufgestellt, das 52 Jahre lang Daten lieferte.
Die Gesamtkosten dieses Unternehmens werden in den Expeditionsberichten eher verschleiert denn geklärt. Wir kennen aber die Löhne, Preise und Reisekosten jener Zeit, als die Fahrt in einer Postkutsche fast so viel kostete wie heute eine Überlandfahrt mit dem Taxi. Nach dem Geldwert von 2005 legte der begüterte Fürstbischof Salm für beide Glockner-Espeditionen mindestens 50.000 Euro aus.
Pioniertaten hoher Herrschaften
Die ersten Kapitel der Alpingeschichte rings um den Großglockner schrieben geistliche Herren. Salm begleitete 1800 seine zweite Glockner-Expedition bis auf die Adlersruhe, sein Generalvikar Sigmund Graf von Hohenwart (später erster Bischof von Linz) überwand 1802 seine offen einbekannte Angst vor der luftigen Scharte zwischen Klein- und Großglockner und errang im Alter von 57 Jahren den heiß ersehnten Gipfelsieg. Die nächste Generation bergsteigender Kleriker führt der Salzburger Kardinal Friedrich Fürst Schwarzenberg an, der in Salzburg Theologie studiert und einige Erstbesteigungen in den Kalkalpen unternommen hatte. Schwarzenberg wirke später als Erzbischof von Prag. 1841 gelang ihm die waghalsige Erstbesteigung des Hohen Tenn (3.368 m) und anschließend noch die außerordentliche Leistung, von Ferleiten das Wiesbachhorn (3.564 m) über die 2.400 m hohe Ostflanke zu erklettern – an einem Tag hin und zurück.
Geistliche Herren lieferten auch später noch Bravourleistungen: Der Franziskaner Corbinian Steinberger schaffte 1851 im Alleingang "mit einem Seidel Wein und einem Stück Hausbrot versehen" die Glocknertour von Heiligenblut an einem Tag hin und zurück, der Heiligenbluter Pfarrer Franz Francisci 1953 die erste Besteigung im Winter.
Dann lenkten aber weltliche Herrschaften die Aufmerksamkeit auf die Glocknergruppe. Es begann 1856 mit dem „sein Kronland (Kärnten) hoch beglückenden Besuch seiner Majestät des Kaisers Franz Josef“ in Heiligenblut. Der 26-jährige Monarch wanderte in vier Stunden von Heiligenblut hinauf zu jener Geländestufe, die seither „Kaiser-Franz-Josefs-Höhe“ heißt. Seine kaiserliche Gemahlin „Sisi“ begnügte sich mit einem Ritt bis zu der poetisch nach ihr benannten „Elisabethruhe“.
Pallavicinis Triumph und Tragödie
Auf diesem erlesenen Platz errichtete der Alpenverein 1876 das „Glocknerhaus“, das den Anstieg von Heiligenblut auf den Großglockner von 2.500 auf 1.700 Höhenmeter Gipfeletappe erleichterte und alsbald jährlich annähernd 3.000 Gäste zählte. Kurz nach der Einweihung dieses Stützpunktes nächtigte dort ein Mann, der mit einer Herausforderung des Schicksals außerordentliches Aufsehen erregte: der 28-jährige Markgraf Alfred Pallavicini, angeblich „Wiens stärkster Mann“. Mit drei Bergführern wagte er den Anstieg auf den Großglockner von der Pasterze durch jene 600 m hohe und 52 Grad steile Eisrinne, die seither seinen Namen trägt. Mit Bravour statt ausreichender Sicherung – der Eishaken wurde erst 1924 erfunden – machte sich ein Führer an das Stufenschlagen im Eis. Nach einer Weile sollte die Führung wechseln.
Das misslang aber im steilen Eis und so hieb dieser Mann weiter Tritte aus dem Eis – 2.500 Stufen sieben Stunden lang fast bis zur Erschöpfung, aber bis zum Gipfelsieg. Diese Leistung ist daran zu ermessen, dass sich erst 23 Jahre später wieder jemand an diese Eisrinne wagte. Im Juni 1886 griff Pallavicini mit drei Begleitern die abschreckende Glocknerwand an. Knapp unter dem Gipfel riss eine abbrechende Schneewechte diese Seilschaft aus der Wand. Nur Pallavicini überlebte den Absturz. Er irrte durch das Spaltengewirr talwärts. Eine Woche später fand man ihn am Rand einer Gletscherspalte kauernd – tot, ein Auge ausgeschlagen und die Nasenpartie völlig zerschmettert. Pallavicini ruht an der Kirchenmauer im Friedhof von Heiligenblut gegenüber jenem Buch aus Metall, auf dessen Seiten die Opfer des Großglockners verewigt sind.